7. September 2023

 Mehrweg bewegt die Schweiz

Biel/Bienne, 29.8.2023: Der Mehrweg-Trend ist auch in der Schweiz angekommen. Gestern haben sich fast 100 Akteur/innen in Biel zu einem ersten nationalen Austausch getroffen, um Lösungen für mehr Mehrweg in der Schweiz zu finden. «Das hat es so noch nie gegeben und es war dringend nötig», waren sich viele der Teilnehmenden einig. Dazu eingeladen hatte «Au REverre» – ein Projekt, das sich für mehr Mehrweg in der Schweiz einsetzt.

Die Schweizer/innen wollen nachhaltiger konsumieren, Rohstoffe werden knapper und teurer, Unternehmen und Gemeinden setzen sich ambitionierte Klimaziele. Die EU geht in Sachen Kreislaufwirtschaft und Verpackungs-regulierung voran, was Auswirkungen auf das exportierende Gewerbe und die Entwicklungen in der Schweiz hat. Mehrweg ist das Gebot der Stunde.

Ökosystem Mehrweg

Das hat auch bei vielen Schweizer Unternehmen Interesse geweckt. Die Umstellung eines Einweg- auf ein Mehrwegsystem ist aber nicht einfach. Es braucht die Zusammenarbeit verschiedener Akteur/innen, um ein funktionierendes Mehrweg-System aufzubauen. Deswegen waren bei der zweisprachigen Veranstaltung auch Vertreter/innen mit unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen vor Ort:

  • Produzent/innen, die Ihre Getränke in Mehrweg abfüllen wollen
  • Maschinen-, Harassen- und Etiketten-Hersteller, die Produkte und Dienstleistungen für ein Mehrweg-System anbieten
  • der Detailhandel, der Logistik und Lagerraum zur Verfügung stellen kann
  • Vertreter/innen der öffentlichen Verwaltung, die bei der Umstellung u.a. durch ein angepasstes Abfallmanagement oder Fördermassnahmen helfen können
  • Verbände und NGOs als wertvolle Kenner/innen der Branche und Multiplikator/innen
  • renommierte Wissenschaftler/innen mit den neusten Daten und Fakten

Referent/innen aus dem Ausland berichteten von den Entwicklungen in ihren Ländern und ihren Erfahrungen. Ausserdem gaben Schweizer Mehrweg-Pioniere Einblicke in ihre Erfolgskonzepte.

Lösungen finden

Am Nachmittag wurde in Workshops an konkreten Lösungen gearbeitet: Wie können Herausforderungen (z. B. die Rückgabe der Flaschen) technisch gelöst werden. Welche Rahmenbedingungen könnten helfen (z. B. Zielvorgaben, Förderinstrumente, Regulierungen) und wie spricht man die Kundschaft an, um sie mit ins Boot zu holen?

Am Ende diskutierten Pioniere im Mehrweg-Bereich mit den Teilnehmenden über Synergien:

  • Alexandre Fricker (Geschäftsführer, Opaline):

«Mehrweg ist für uns eine Notwendigkeit, um die ambitionierten Klimaziele erreichen zu können.»

«Sprechen Sie mit einer geeinten Stimme zur Politik, dann können Sie etwas bewegen.»

  • Matthias Huber (Geschäftsführer, Kooky):

«Mehrweg setzt sich durch, wenn es einfach und praktisch ist.»

  • Jeannette Morath (CEO & Founder, reCIRCLE):

«Wir müssen den Verstand und das Herz ansprechen sowie den Weg ebnen.»

Mehrweg: ökonomisch und ökologisch sinnvoll

Mehrweg aus Glas macht aus vielen Gründen Sinn: Organisiert in einem regionalen Umfeld ist es die nachhaltigste Verpackung und fördert gleichzeitig lokale Wirtschaft. Mehrweg spart aber nicht nur Energie und damit CO², sondern auch Ressourcen. Es macht die Schweiz unabhängiger vom Ausland und ist angesichts des steigenden Glaspreises zunehmend günstiger.

Mehrweg: besser als Recycling

Mehrweg hilft der Schweiz zudem kreislauffähiger zu werden, denn die Wiederverwendung ist eine zentrale Strategie der Kreislaufwirtschaft. Macht es mehr Sinn, eine Flasche in der Region zu waschen und wieder zu befüllen oder sie erst zu zerstören, zu transportieren, um sie dann energieintensiv einzuschmelzen, neues Material hinzuzufügen, sie neu zu produzieren, um sie anschliessend auszuliefern? Nein. Das braucht viel mehr Energie, kostet und ist für hohe CO²-Emissionen verantwortlich. Mehrweg kann Produzent/innen und der öffentlichen Hand deswegen auch dabei helfen, Klima- und Kreislaufziele zu erreichen.

Das Moderatorinnen-Team Johanna Huber und Martina Rapp, die innovative Echovai-Flasche und Hervé Le Pérzennec hinter der Mehrweg-Milchflasche von Emmi
Mehrweg: die nachhaltige Verpackung

Hinzu kommt, dass die Kunden und Kundinnen zunehmend nachhaltiger konsumieren wollen. Da spielt auch die Verpackung eine grosse Rolle. Laut einer 2019 von Greenpeace bei 1’077 Personen in der Deutsch- und Westschweiz durchgeführte Umfrage zum Thema «Mehrwegverpackungen» sind 95 % der Befragten grundsätzlich bereit, Produkte mit Mehrwegverpackung zu kaufen. Darüber hinaus kam eine Umfrage in elf europäischen Ländern zu dem Ergebnis, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Glasverpackungen bevorzugen, da sie Glas für das haltbarste und gesundheitlich unbedenklichste Verpackungsmaterial für Lebensmittel halten. Diese Schlussfolgerung deckt sich mit den Ergebnissen einer Literaturanalyse, in welcher 46 wissenschaftliche Artikel untersucht wurden. Mehrere der analysierten Studien verzeichneten darüber hinaus, dass Konsument/innen gegenüber Mehrwegverpackungen positiv eingestellt sind.

Ein Teilnehmer im Workshop "Hindernisse und deren technische Lösungen", Mehrweg-Flaschen aus dem Pilotprojekt "ça Vaud l’retour" und eine Referentin bei ihrer Präsentation.

Mehrweg: Hintergrund EU

 

In Europa wird bereits vorwärts gemacht: Eine neue Richtlinie über Verpackungsabfälle ist in Vorbereitung. Sie enthält auch Bestimmungen für Getränkeverpackungen. Österreich will bis 2030 eine Mehrweg-Quote von 30 Prozent und Frankreich bis 2027 eine von 10 Prozent erreichen.

Das Mehrweg-Event wurde von Au REverre organisiert, einem Projekt des Think- and Do-Tanks sanu durabilitas. Dieser setzt sich für eine nachhaltige Schweiz ein. Neben Kreislaufwirtschaft engagiert er sich auch für Bodennutzung. sanu durabilitas bringt Theorie in die Praxis, findet Lösungen und testet diese. Anschliessend wertet er die gemachten Erfahrungen aus, um Empfehlungen für Entscheidungsträger/innen zu formulieren. Das Projekt «Au REverre» wird unterstützt von der Minerva-Stiftung.

Das Event wurde finanziell unterstützt von Vetropack, Stöckli, Wiegand-Glas, der Gehrig Group und der Stadt Biel. Es ist Teil der mehrjährigen «Circular Economy Ecosystem Session» und wurde in diesem Rahmen unterstützt von Innosuisse.

verwandte Artikel