Mehrweg-Glasflaschen: Wie Österreich den Getränkehandel revolutioniert
Detailhändler passen ihr Sortiment an, Produzenten rüsten ihre Abfüllanlagen um und Konsument/innen bringen die leeren Flaschen in die Filialen zurück. Wie kam es dazu?
Ein Blick in die Getränkeregale der österreichischen Detailhändler zeigt: Immer mehr Getränke sind in Mehrweg-Glasflaschen verfügbar. So gibt es neben Bier und Wasser auch Wein, Milchprodukte, Saft und Limonade in Mehrweg-Glasflaschen.
Für die Rückgabe der Flaschen gibt es meist Rückgabeautomaten in den Supermärkten. So können die Kund/innen ihre leeren Flaschen bequem beim nächsten Einkauf retournieren und erhalten das Pfand zurück. Bei Lieferungen nach online-Bestellungen holt der Lieferservice bei einigen Detailhändlern die leeren Mehrwegverpackungen ab.
Das war nicht immer so. Zwar hat Mehrweg in Österreich Tradition: Mitte der 90er-Jahre wurden 80% der Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt. Doch der EU-Beitritt führte zu tiefgreifenden Veränderungen im Getränkesektor. Die damit verbundene Marktöffnung förderte den Absatz von Getränken in Einwegverpackungen und es gab immer weniger Mehrweg. Zur Jahrtausendwende lag der Mehrweganteil bei gerade noch 19 %. Das wurde schnell zum Problem: Wegen der steigenden Zahl von Einwegflaschen wuchsen Österreichs Abfallberge und die Verschmutzung durch Plastikmüll.
Die Politik macht Druck
Das und die 2019 eingeführte Single-Use-Plastic-Richtlinie rief die Politik auf den Plan. Letztere hat Österreich wiederum der EU zu verdanken. Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass Mitgliedstatten ab 2021 eine Abgabe auf nicht recycelte Kunststoffverpackungen zahlen müssen. Weil diese Abgabe Österreich jährlich circa 160-180 Millionen Euro kosten würde, war die österreichische Regierung zum Handeln gezwungen und hat sich daraufhin zum Ziel gesetzt, den Mehrweganteil bei Getränkeverpackungen wieder zu erhöhen – bis 2025 auf 25 % und im Jahr 2030 soll die Mehrwegquote 30 % betragen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Österreich auf einen Mix zwischen Regulierung und Anreiz. So hat der Nationalrat 2021 folgende Vorschriften für Getränke- und Lebensmittelhändler erlassen:
oder
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, hat die österreichische Regierung aber nicht nur gesetzliche Vorgaben erlassen – Mehrwegsysteme werden auch finanziell unterstützt. Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan sieht vor, dass 110 Millionen Euro in Leergutrücknahmestellen und Massnahmen zur Steigerung der Mehrwegquote für Getränkegebinde investiert werden (mehr dazu hier). Zudem schlägt der Entwurf der Kreislaufstrategie des zuständigen Bundesministeriums vor, verpflichtende Mehrwegquoten weiter zu erhöhen (mehr dazu hier).
Bald auch bessere Rahmenbedingungen für Mehrweg in der Schweiz?
Die österreichischen Konsument/innen haben dank des wachsenden Angebots wieder eine echte Wahl zwischen Ein- und Mehrweg. In der Schweiz besteht diese Wahlmöglichkeit (noch) nicht: Mehrweg ist nur selten erhältlich und die Rückgabe ist komplizierter als die Entsorgung von Einwegflaschen.
Damit Konsument/innen in der Schweiz ebenfalls klimafreundlicheres Mehrwegglas wählen können, braucht es ein grösseres Angebot bei den Detailhändlern. Österreich zeigt, dass eine solche Umstellung für Detailhändler machbar ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Momentan (2022/2023) wird in der Schweiz die Revision des Umweltschutzgesetzes diskutiert. In diesem Zusammenhang wird auch ein Rahmen für die Entiwcklung der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz geschaffen. Unsere Parlamentarier/innen haben es also in der Hand, nach österreichischem Vorbild die Weichen so zu stellen, dass Mehrweg auch in der Schweiz ein dringend nötiges Come-Back erleben kann.
weitere Quellen:
Bundesgesetzblatt Republik Österreich: Abfallwirtschaftsgesetz
Studie « Mehrweg statt Müllberge » Greenpeace Österreich 2020
Autor: Michael Müller